Annick Kabatesi ist eine Unternehmerin aus Burundi, die erfolgreich Mode aus der Rinde von Feigenbäumen herstellt. Geboren wurde sie 1983 in der Provinz Muyinga im Nordosten Burundis. Heute lebt und arbeitet sie in Bujumbura. Im Gespräch mit der SEZ berichtet sie von ihrem Arbeitsalltag.
SEZ: Was machen Sie als Erstes, wenn Sie beginnen zu arbeiten?
Annick Kabatesi: Wenn ich mit meiner Arbeit anfange, nehme ich mein Smartphone, checke meine Emails, WhatsApp, Telefonnachrichten, Facebook und Twitter, um sicherzustellen, dass es keine dringenden Nachrichten gibt, die die Tagesordnung verändern. Dafür brauche ich 30 Minuten. Ich trinke währenddessen ein Glas Wasser und eine Tasse Kaffee und mache mich bereit für den Tag. Ich konsultiere meinen Kalender, um zu sehen, was am Dringendsten ist. Dann priorisiere ich. Kurz bevor ich um 7.45 Uhr das Haus verlasse, rufe ich die Leute an, mit denen wir tagsüber arbeiten werden, um sie an unsere Verabredung zu erinnern. Dann gehe ich ins Café, um meine E-Mails zu beantworten und Kontakte mit VIPs zu knüpfen. Danach gehe ich zum Laden von Murundikazi Fashion, um zu sehen, wie es bei meinem Verkaufsagenten läuft.
SEZ: Was bedeutet Ihnen Ihre Arbeit?
Annick Kabatesi: Meine Arbeit macht mich sehr stolz, weil ich dadurch meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zeigen kann, dass unsere Vorfahren genial waren, dass sie kreativ waren. Außerdem gibt mir meine Arbeit Würde, weil sie zeigt, dass Frauen im Allgemeinen und vor allem Mädchen auch zu Phantasie und Kreativität fähig sind und darauf basierend Unternehmen gründen können, auch wenn sie manchmal klein anfangen.
SEZ: Welche Auswirkungen hat Ihre Arbeit auf Ihr Leben, auf die Gesellschaft und auf Ihre Umgebung?
Annick Kabatesi: Meine Arbeit erlaubt es mir, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das gibt mir eine besondere Stellung innerhalb der burundischen und der ostafrikanischen Gesellschaft. Wer heute „Kleidung aus Feigenbäumen” sagt, sagt Annick und wer über Annick spricht, spricht auch über “Kleidung aus Feigenbäumen“. In meiner Umgebung sind junge Menschen stolz darauf, dass einer ihrer Altersgenossen ein originelles Unternehmen schafft und leben kann, ohne auf die Arbeit anderer angewiesen zu sein. Erwachsene wiederum freuen sich über die Wiederbelebung der Technik unserer Vorfahren, Kleider herzustellen. Die Regierung ist stolz auf mich, weil ich für sie ein gutes Beispiel einer jungen Kreativen und einer Befürworterin der burundischen Tradition darstelle. Akteure auf hohem behördlichem Niveau tragen gerne meine Produkte (Hüte, Aktentaschen, Jacken,…) und schicken mich regelmäßig zu ausländischen Veranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit, um das Land zu vertreten.
SEZ: Was sind Ihre größten Herausforderungen?
Annick Kabatesi: Meine größte Herausforderung ist es, mein Produkt international bekannt zu machen. Auf nationaler und regionaler Ebene werde ich regelmäßig eingeladen und durfte schon einige Preise entgegen nehmen.
SEZ: Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Annick Kabatesi: Meine Wunsch ist die Vermehrung der gefährdeten Feigenbäumen (Congensis und Ovata), damit mein Unternehmen weiterhin Rohmaterial hat. Aber auch und vor allem, um die Umwelt zu schützen und Aufmerksamkeit für nachhaltigen Anbau zu erzeugen. Außerdem wünsche ich mir, dass ich der burundischen Jugend die Technik beibringen kann, aus Feigenrinde nachhaltige Kleidung herzustellen. Und ich würde die Herstellungstechnik gerne so verbessern, dass ich wettberwerbsfähiger gegenüber Kleidung aus anderen Materialien wie Baumwolle, Synthetik, Wolle oder Nylon werde, ohne jedoch den nachhaltigen und biologischen Ansatz aus den Augen zu verlieren.
SEZ: Was würden Sie tun, wenn Sie Chefin der Weltbank wären?
Annick Kabatesi: Wenn ich Chefin der Weltbank wäre, würde ich als Erstes die Vermehrung des Baumbestandes (insbesondere von Feigenbäumen) finanzieren. Nicht nur, um sicherzustellen, dass ich genügend Rohmaterial habe, sondern auch und vor allem, um die Umwelt nachhaltig zu schützen.
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