Mit einer Veranstaltung in der BW-Bank Stuttgart verabschiedete sich Klaus Weingärtner vor rund 170 Gästen Ende September in den Ruhestand. „Mit ihm geht eine Institution in der Institution“, so Philipp Keil, Geschäftsführender Vorstand der SEZ. Drei Jahrzehnte lang hat Klaus Weingärtner das Gesicht und die Arbeit der SEZ wesentlich mitgeprägt. Anfangs standen der Aufbau eines Netzwerks und die Professionalisierung der haupt- und ehrenamtlichen Eine-Welt-Akteurinnen und Akteure im Mittelpunkt der Arbeit.
Klaus Weingärtner war ein Mann der ersten Stunde. Nur wenige Monate nach der Gründung im Januar 1991 fing er bei der SEZ an zu arbeiten. „Es war genau die Stelle, die ich mir damals vorgestellt habe“, sagt Weingärtner. Er war zuvor vier Jahre als Entwicklungshelfer im westafrikanischen Niger tätig, „und ich habe gesehen, dass es notwendig ist, die Menschen hier in Baden-Württemberg auf die Herausforderungen und die Verhältnisse in den Ländern des globalen Südens hinzuweisen und auf Möglichkeiten, wie man es anders machen kann.“
Valère Hiobi, Vorstandsvorsitzender von MyAfrica e. V. und Steffen Weber, Geschäftsführer des Weltladen-Dachverbands und Vorstandsmitglied im Forums Fairer Handel standen mit ihren Beiträgen stellvertretend für die zwei Schwerpunktthemen, für die sich Klaus Weingärtner besonders einsetze: die Partnerschaft mit Ländern des Globalen Südens und der Faire Handel. Die Weltläden und der Faire Handel lagen Weingärtner immer ganz besonders am Herzen. Sein tatkräftiges Engagement führte dazu, dass es im Jahr 2005 im Haus der Wirtschaft eine erste bundesweite Messe für den Fairen Handel gab. Aus diesen Anfängen entwickelte sich die Messe Fair Handeln.
Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel würdigte anlässlich der Verabschiedung die Arbeit von Klaus Weingärtner und seinen Einsatz für den Fairen Handel mit den Worten: „Mit der Messe Fair Handeln haben Sie eine ausgezeichnete Öffentlichkeit und viele Unterstützer gewonnen. Er sagte: „Ich habe großen Respekt vor ihm gewonnen. Er hat sich für Gerechtigkeit weltweit eingesetzt. Für ihn stand nie das Ich im Vordergrund, sondern immer das Wir. Er hat großen Sachverstand, Kompetenz, Überzeugungskraft und Verantwortungsgefühl.“
Interview mit Klaus Weingärtner
Wir sprachen mit Klaus Weingärtner über seine Zeit bei der SEZ.
Wie sind Sie zur SEZ gekommen?
Ich hab die Stellenausschreibung in der Zeitung gesehen und mich darauf beworben, es war genau die Stelle, die ich mir vorgestellt hatte. Es ging darum, Bildungsarbeit in Baden-Württemberg zu machen. Ich war zuvor vier Jahre als Entwicklungshelfer tätig gewesen und habe gesehen, dass es notwendig ist, die Menschen hier auf die Probleme und die Verhältnisse in den Ländern des globalen Südens hinzuweisen und auf Möglichkeiten, wie man es anders machen kann.
Sie waren jetzt drei Jahrzehnte bei der SEZ. Was hat Sie motiviert?
Ich konnte das, was ich für notwendig erachtet habe und wofür ich gerne gearbeitet habe, in meinem Berufsleben umsetzen. Das war mein Antrieb die letzten 30 Jahre.
Die SEZ wurde im Januar 1991 errichtet, Sie haben im Mai angefangen. Was waren denn die Herausforderungen in der ersten Zeit?
Es gab zwar ein Büro, aber kein Sekretariat und kein technisches Gerät und die Briefe für die Einladung zur Büroeröffnung an den Stiftungsrat mussten dringend geschrieben werden. Ich hab dann mit meiner Kofferschreibmaschine jeden einzelnen Brief abgetippt – ihr könnt euch vorstellen, wie viel Tipp-Ex ich verbraucht hab.
Wie haben die ersten Schritte bei der inhaltlichen Arbeit ausgesehen?
Uns war bewusst, dass wir die Entwicklungszusammenarbeit in Baden-Württemberg nicht alleine verändern können. Daher haben wir uns in den Anfangsjahren mit vielen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen getroffen und sie gefragt, wo der Schuh drückt. Damit wir wissen, wo wir den Hebel ansetzen können. Wir haben die ersten Seminare gemacht, beispielsweise zur Projektförderung oder zur Pressearbeit, und wir haben 1991 auch schon mit der Weltladenberatung begonnen.
Wie waren denn die Reaktionen auf die SEZ und ihre Arbeit?
Ich war überrascht, wie die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung von den Vertreterinnen und Vertretern der Nichtregierungsorganisationen gesehen wurde. Wir hatten das Gefühl, die haben nur auf uns gewartet. Es hat sich sehr dynamisch entwickelt, weil die Eine-Welt-Engagierten gesehen haben, dass die Stiftung gute Angebote und gute Arbeit macht. Uns war auch immer wichtig, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Beispielsweise haben wir für die Weltladenfortbildung Referenten vom Einzelhandelsverband geholt, um hier den wirtschaftlichen Bereich stärker reinzubringen. Wir haben aber auch Angebote geschnürt, um die politische Ausrichtung der aktiven Gruppierungen weiter fortzuführen.
Mit welchem Wort könnte man die ersten zehn Jahre der SEZ beschreiben?
Die ersten zehn Jahre waren Aufbauarbeit. Wir hatten keine Gelder, um uns bekannt zu machen. Wir mussten Verbündete suchen und wir wollten natürlich auch neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden. Wir haben mit Verbänden wie der IHK, dem Sparkassenverband oder dem Genossenschaftsverband zusammen Veranstaltungen gemacht, um deren Klientel auch mit ins Boot zu holen und sie für diese Thematik zu interessieren. Und ich würde sagen, das ist uns gelungen.
Gehen wir ins zweite Jahrzehnt, in die Jahre 2001 bis 2011. Mit welchem Begriff lassen die sich beschreiben?
Das war die Phase der Konsolidierung, des Festschreibens des Programms, das wir damals hatten. Aus den Seminaren, die wir in den Anfangsjahren angeboten haben, hat sich auch einiges weiterentwickelt. Die Messe Fair Handeln ist so ein Beispiel. Die Idee kam aus den Reihen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Weltläden, die an mich herangetreten sind und gesagt haben, wir möchten einfach mal sehen, was es eigentlich im Fairen Handel gibt. Ich habe dann gesagt, okay, lass es uns doch mal versuchen mit so einer Messe. Und 2005 haben wir dann im Haus der Wirtschaft in Stuttgart die erste bundesweite Messe zum fairen Handel mit rund 30 Ausstellern ins Leben gerufen.
Andere Veranstaltungen wie das Stuttgarter Forum für Entwicklung oder die landesweite Initiative Meine. Deine. Eine Welt. hat die Stiftung ebenfalls in diesem zweiten Jahrzehnt aus den vorhandenen Anfängen weiterentwickelt und etabliert. Auch der Eine-Welt-Preis, mit dem die SEZ das entwicklungspolitische Engagement der vielen Ehrenamtlichen würdigt, wurde in dieser Zeit ins Leben gerufen.
Und wo führt der Weg im dritten Jahrzehnt hin? Wo steht die SEZ heute?
Wir sind ein großes Netzwerk geworden in Baden-Württemberg. Wir sind eine anerkannte Organisation und werden als solche in sehr vielen Kreisen wahrgenommen. Sei es in der Politik oder Wirtschaft, aber auch bei den Aktiven im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Es ist ja kein einfaches Thema, die Entwicklungszusammenarbeit. Wir werden von Schulen angesprochen, von Kommunen, von Weltläden – sei es für personelle Unterstützung, für finanzielle Unterstützung oder für die Vermittlung von Referenten, Ausstellungen und Bildungsmaterial. Wir sind mittlerweile eine gefragte Einrichtung, und das finde ich schon schön.